Ein Volk von Rechnungszahlern

Revolutionärer Durchbruch noch nicht in Sicht

Das Schweizer Magazin Marketing & Kommunikation geht der Frage nach, weshalb sich neue online-Zahlungsmodalitäten nur langsam entwickeln. Der Kauf auf Rechnung dominiert in der Schweiz, auch im Online-Handel. Über die Entwicklung des E-Payment in der Schweiz standen auch Netcetera-Experten Thomas Fromherz, Ralph Wildhaber, beide Director Payment & Card Services, und Joachim Hagger, Head of Market & Technology, Red und Antwort.

E-Commerce-Experte Thomas Lang bringt es auf den Punkt: «Wir sind nicht nur ein Volk von Mietern, sondern auch eines von Rechnungszahlern.» Der Blick auf die zuletzt verfügbaren Zahlen des Verbandes des Schweizerischen Versandhandels (VSV) bestätigt seine Einschätzung: 2010 belief sich der Anteil der Rechnungszahler im Schweizer Online-Handel auf 89 Prozent, im Folgejahr waren es mit 88 Prozent nur unwesentlich weniger.

In den nächsten Wochen werden die Zahlen für 2012 vorliegen, mit einer merklichen Abnahme der Rechnungszahler ist nicht zu rechnen. VSV-Präsident Patrick Kessler sagt dazu: «Die Daten zeigen, dass in der Schweiz der Kauf auf Rechnung immer noch dominiert. Die Erhebung der Detailzahlen erfolgte aber ausschliesslich bei unseren Mitgliedern, es fehlen zum Beispiel Digitec oder Amazon.» Zudem sei bei Dienstleistungen und virtuellen Gütern (SBB, Downloads) der Gebrauch von Kreditkarten viel höher. Trotzdem dürfe die Erhebung als sehr relevant für den Handel angeschaut werden. Patrick Kessler geht davon aus, dass der Kauf auf Rechnung in der Schweiz im Online-Versandhandel prägend bleiben wird.

Automatische Bonitätsprüfung

«Einige Webshops tun sich natürlich schwer damit, ein Produkt zu schicken und daraufhin zahlt der Kunde möglicherweise nicht. Mittlerweile haben sich aber Mechanismen wie die automatische Bonitätsprüfung etabliert. Factoring-Firmen wie Billpay, Arvato Infoscore oder die Post Debitoren AG übernehmen die Forderungen für ein Entgelt von wenigen Umsatzprozenten», erklärt Thomas Lang, Partner beim Beratungsunternehmen Carpathia. Auch Paypal, als Zahlungsmittler, habe sich als Alternative zur Kreditkarte gut etabliert. Eine Herausforderung für den E-Commerce bleiben Kleinbeträge für E-Books oder MP3-Dateien, da funktioniere die Rechnung natürlich nicht.

«Zahlungen via Rechnung werden in absehbarer Zukunft auch weiterhin eine grosse Rolle spielen», sagt Rui Huang, Senior Product Manager E-Commerce bei SIX Payment Services. «Das wichtigste Zahlungsmittel für Webshops ist und bleibt aber die Kreditkarte. Weltweit gesehen werden heute etwa zwei Drittel aller Zahlungen in Webshops über Kreditkarten abgewickelt – in der Schweiz steigt die Akzeptanz der Kreditkartenzahlungen in Webshops fortlaufend.»

3-D Secure Standard

Bei Netcetera, dem Spezialisten für Systeme, Prozesse und IT-Lösungen, sagt Thomas Fromherz: «Für wiederkehrende Zahlungen nimmt die elektronische Rechnungsstellung zu. Andere Zahlungsmodalitäten werden die Rechnung wohl mehr und mehr ablösen. Die Kreditkartenindustrie versucht etwa, ihre Akzeptanz mit noch einfacherem Online-Bezahlen zu stärken, während neue Anbieter wie Paypal mit bereits kinderleichtem Bezahlen auf den Markt drängen.» Und sein Kollege Ralph Wildhaber, ebenfalls Director Payment & Card Services, sagt: «In den kommenden Jahren wird es sicherlich mehr Bezahlmöglichkeiten geben. Technologien und Möglichkeiten zum kontaktlosen Bezahlen wie NFC, PayPass und weitere werden das Rechnungsaufkommen kaum reduzieren, mehr Prepaid- oder sicherere Debitkarten wie Maestro fürs Online-Einkaufen hingegen schon eher.» Zu den Hauptkunden von Netcetera gehören Dienstleister für Zahlungsabwicklung, sogenannte Payment Service Provider. Neu bietet Netcetera Online-Händlern mit dem «Merchant Plug-In»-Produkt eine zusätzliche Sicherung der Kreditkartenzahlungen mittels 3-D Secure Standard an.

Kundenbindung

Joachim Hagger, Head of Market & Technology bei Netcetera, beantwortet die Frage nach künftigen Zahlungsabwicklungen: «Zusätzliche Player, die nicht auf Zahlungsabwicklung spezialisiert sind, werden dazukommen, weil sie Kunden haben, die ihre Zahlungsmittel – wie ihre Kreditkarte – zur Begleichung von Einkäufen hinterlegen. Dazu gehören etwa Apple, Google oder Amazon. Diese neuen Spieler sind nicht anzusätzlicher Marge interessiert, wohl aber daran, wie sie die Kundenbindung stärken können und welches Kaufverhalten ihre Kunden an den Tag legen.»

Zur Bedeutung von Mobile Payment sagt Joachim Hagger: «Auf lange Sicht wird das Mobiltelefon zum Portemonnaie, das sämtliche Zahlungsmittel mit Ausnahme des physischen Bargeldes enthält. Neue Zahlungsmittel brauchen lange, bis sie sich im Markt durchsetzen. Bei den mobilen Zahlungsmitteln gehen wir jedoch davon aus, dass die Einführungszeit wesentlich kürzer sein wird, als dies beispielsweise bei Debit- und Kreditkarten der Fall war.»

Mobile Payment

Und Tobias Wirth, Senior Product Manager M-Commerce bei SIX Payment Services, schätzt die künftigen Zahlungsabwicklungen so ein: «Zum einen ist dies das elektronische Portemonnaie, e-Wallet, das schon heute vermehrt genutzt wird. Die Konsumenten hinterlegen in einem e-Wallet die Kartendaten sowie die Lieferadresse und können damit mit einem Klick einkaufen. Dies beschleunigt den Zahlungsprozess im Online-Shop. Zum anderen wird natürlich auch der Mobile Commerce, das heisst Zahlungen in Apps, weiter stark zunehmen.» Als sehr wichtig erachtet Wirth Mobile Payment: «Der Anteil von Zahlungen über mobile Geräte wie Tablets und Smartphones wird sehr stark steigen.» Hierbei spricht man von Mobile Commerce oder Remote Mobile Payment. Einzelne Online-Shops generieren bereits 20 Prozent ihres Umsatzes über Mobile Commerce.

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