Mit CIRS aus Fehlern lernen, bevor etwas passiert

Höhere Patientensicherheit dank IT-Unterstützung von Netcetera

Systemunterstützte Prozesse zum Erkennen von Fehlerquellen sind in Risikoindustrien Standard. Im Gesundheitswesen können sie Leben retten. Die Firma Netcetera hat ihr System zur Verwaltung von Patientendaten eVisit mit einem CIRS-Modul erweitert. Dieses erlaubt auf einfachste Weise und plattformunabhängig, kritische Zwischenfälle in Gesundheitseinrichtungen zu melden. Entwickelt wurde das innovative Tool in Zusammenarbeit mit Studierenden der Medizininformatik an der Berner Fachhochschule.

Risiken und Kosten senken mit dem benutzerfreundlichen CIRS-Modul von Netcetera, das einfach in die bestehende IT-Umgebung integriert werden kann.Spitäler sind komplexe, störungsanfällige Systeme. Menschliche, technische und organisatorische Fehler können hier fatale Folgen haben. In hektischen Phasen wird leicht eine Diagnose falsch verstanden, ein Medikament verwechselt oder ein schadhaftes Gerät nicht erkannt. Bei einem von hundert stationären Patienten treten schwerwiegende Schäden auf, schätzt die Stiftung Patientensicherheit. Das heisst: Jährlich sterben zwischen 700 bis 1700 Menschen durch fehlerhafte Behandlung in Schweizer Spitälern. Analysen zeigen, dass sich viele dieser Todesfälle vermeiden liessen.

Risiken und Kosten senken

Das klinische Risikomanagement ist deshalb für die Patientensicherheit und die Behandlungsqualität essenziell. Ein wichtiges Hilfsmittel sind dabei Meldesysteme für kritische Zwischenfälle; so genannte Critical Incident Reporting Systems (CIRS). Diese wurden ursprünglich für die Luftfahrt entwickelt, kommen aber seit einigen Jahren verstärkt auch in der Medizin zum Einsatz. Sie sollen helfen, aus Fehlern zu lernen, bevor etwas passiert. Problematische Zwischenfälle verursachen hohe Kosten, menschliches Leid und belasten die Ressourcen im Gesundheitswesen stark. Patienten erleiden unter Umständen mehr Schmerzen und müssen Zusatzbehandlungen über sich ergehen lassen. Auch dem Personal machen solche Ereignisse zu schaffen.

Ein CIRS ermöglicht es Mitarbeitenden, Vorfälle zu rapportieren, bei denen Patienten unnötigen Risiken ausgesetzt waren und beinahe zu Schaden gekommen sind. Die Meldung erfolgt anonym über ein Online-Formular. Sanktionen sind dadurch keine zu befürchten. Die Berichtenden können bereits in der Eingabemaske Lösungen vorschlagen, um ähnliche Ereignisse zu verhindern. Anschliessend folgt eine Bewertung von Experten und Qualitätsmanagern, die allenfalls nötige Massnahmen aufzeigen. Der Vorfall wird schliesslich in einem CIRS-Portal im Intranet veröffentlicht. Ziel ist es, aus den Beinahe-Schäden systematische Verbesserungen für Arbeitsabläufe oder Strukturen abzuleiten.

Usability für Akzeptanz entscheidend

In Schweizer Kliniken sind verschiedenste Konzepte und Formen von CIRS-Instrumenten im Aufbau oder im Einsatz. Unterschiedlich ist auch die Anzahl der Rückmeldungen. Das System wird bei den Mitarbeitenden nicht überall in gleichen Mass akzeptiert. Das kann mit dem Vertrauensumfeld oder unangemessener Feedbackkultur zusammenhängen. Ein CIRS wird aber auch ungern genutzt, wenn es kompliziert in der Anwendung oder wenig benutzerfreundlich und unflexibel ist.

Die Softwarefirma Netcetera hat deshalb ein neues CIRS-Tool lanciert, das nicht nur klinische, juristische und sicherheitstechnische Anforderungen erfüllt, sondern auch schlicht aufgebaut ist und auf allen Plattformen einfach genutzt werden kann; insbesondere auf mobilen Geräten. Innovativ ist allen voran das Interaction Design. Die Lösung baut auf der IT-Architektur des Produkts eVisit auf, das Netcetera in Zusammenarbeit mit dem Spezialisten für Dokumentenmanagement in Spitälern, the i-engineers aus Zürich, entwickelt hat.

eVisit ermöglicht es, mit den neuesten technischen Hilfsmitteln digitale Patientendossiers mobil aktuell zu halten und Patientendaten nach strengen Berechtigungskriterien von Ärzten oder Pflegepersonal zu ergänzen oder zu verwalten. Mit der Software kann der Endbenutzer auf relevante Daten von allen Arten medizinischer Applikationen und Datenträgern zugreifen. Das können Therapiepläne, Labordaten, Röntgenbilder oder EKG-Grafiken in speziellen Formaten oder aus fachspezifischen Anwendungen sein. Das digitale Patientendossier eVisit verbindet unterschiedliche Prozesse und unterstützt die Kommunikation unter den Anwendern.

Fruchtbare Zusammenarbeit mit Studierenden

Das CIRS-Modul von Netcetera basiert auf eVisit, kann jedoch auch unabhängig davon eingesetzt werden. Entwickelt wurde die Applikation in Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule. Spitalinformatik-Studierende haben im Rahmen von Abschlussarbeiten eigenständig einen funktionierenden Prototyp entwickelt. Im Kantonsspital Baselland wurde dieser probehalber installiert und für praxistauglich befunden. «Der Test war so überzeugend, dass das Spital das CIRS innerhalb einer Woche bestellt hat», sagt der zuständige Netcetera-Experte, Thierry Hafner. Er hat die Studierenden fachlich begleitet und beraten. Fertig programmiert wurde die Applikation innert kürzester Zeit bei Netcetera im mazedonischen Skopje.

Für Thierry Hafner zeigt das Resultat exemplarisch, dass die Schweizer Industrie zusammen mit Hochschulen Produkte entwickeln kann, die auf dem Markt bestehen. Denn dank des Impulses der Fachhochschule Bern, kann Netcetera nun ihre CIRS-Lösung anbieten. Als viel wichtiger erachtet Thierry Hafner allerdings die Möglichkeit, sich bei Studierenden als führendes Software-Unternehmen in der Schweiz zu profilieren: «Wir brauchen dringend Mitarbeitende, denn in der Schweiz sind Spitalinformatiker rar.»

Erste Reaktionen positiv

Seit Frühjahr 2015 wird an einem der drei Spitalstandorte des seit 2012 zusammengeführten Kantonsspitals Baselland (KSBL) das Netcetera-CIRS in mehreren Bereichen in der Praxis verwendet. Die sehr komplexen, teilweise externen Vorgänger-Systeme können so vereinheitlicht und durch die bessere Lösung ersetzt werden. Überzeugt hat die Verantwortlichen, wie einfach und schnell jetzt eine Meldung auch im laufenden Betrieb abgesetzt werden kann. «Wir sind immer unter Zeitdruck», sagt Christian Wilmes, Mitarbeiter in der Abteilung Medizincontrolling/ Qualität, «da wären zu viele Fragen im Formular hinderlich.» Ein einfaches Vorgehen mit nur drei Tabs bietet das Produkt auch für das Verwalten, Modifizieren und Veröffentlichen der gemeldeten Fälle. Ebenfalls einfach ist die Implementierung in die bestehende IT-Umgebung. Anspruchsvoller war es, die Mitarbeitenden mit dem neuen Tool vertraut zu machen.

Obwohl erst kurz im Einsatz, zeigt sich beim neuen CIRS beim KSBL bereits eine aktive Nutzung. Die Zahl der gemeldeten Problemfälle aus den beteiligten Kliniken ist gestiegen. Ein Grund dafür liegt auch in der erhöhten Aufmerksamkeit gegenüber dem System durch die Einführung.

Erfahrungen fliessen laufend ein

Mit dem Release 2.0 im September werden kleinere Anpassungen am Programm vorgenommen. Meldungen sind dann weniger verfasserorientiert. Das heisst: Das Ereignis, respektive der Patient, steht mehr im Vordergrund. Ausserdem werden die Fälle dem CIRS-Meldekreis neu stationsorientiert zugewiesen, und es können zusätzliche statistische Auswertungen gemacht werden. Mit den nächsten Releases ist vorgesehen, ein komplettes Reporting ans Management zu ermöglichen.

Ein CIRS ist zwar nicht in jedem Kanton vorgeschrieben, aber für Spitäler enorm wichtig, denn es ist eine Voraussetzung, um als Ausbildungsstätte für verschiedene medizinische Disziplinen anerkannt zu werden. «Wer es ernst meint mit Qualität im Gesundheitswesen, der hat auch ein CIRS», sagt Christian Wilmes. «Es ist kein Allheilmittel, aber ein wichtiger Mosaikstein, um kritische Vorfälle auf den geringstmöglichen Level zu schrauben.»

 

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